Die Diskriminierung der Hexen…

“Wenn man manche Histörchen genau untersucht, so wird man immer  finden, daß etwas Wahres darunter steckt, und zuweilen etwas ganz anderes, als man gemeiniglich sich vorstellt, so sind z. E. die Hexen, die man ehemals so sehr mit Feuer und Wasser verfolgte, gar die Geschöpfe nicht gewesen, die man sich gemeiniglich vorstellt- auch hat man das Verbrennen derselben ein wenig zu früh eingestellt.

Ich habe an die 150 Loca gesammelt, woraus ich beweisen kann, daß die Hexen der vorigen Welt eigentlich die sogenannten Kaffeeschwestern der jetzigen sind.

Unter dem Namen Kaffeeschwester verstehe ich alle alte Frauenspersonen, die in ihrer Jugend so viel gelernt haben, daß sie die Bibel bis auf einige Nomina propria im alten Testament ziemlich fertig weglesen und alle Zahlen aussprechen können, wenn sie mit Worten geschrieben sind, und die, nächst den biblischen Geschichten, hauptsächlich sich auf die Privatgeschichte aller Familien in ihrem Städtchen gelegt haben und über Schwangerschaften, Ehverlöbnisse; Hochzeittage und Kopfzeuge Register halten, die in jeder Krankheit eines jungen Mädchens den Bastard reifen sehen und den Mann und den Ball erraten, der die Ursache und die Gelegenheit dazu war, die hypothetische Ehen zwischen ledigen Personen und nicht selten reelle Ehescheidungen mit ihrem Geschwätz stiften; kurz, alle unverständigen plappernden, besuchen gehenden alten Weiber, so sehr die Pest und das Verderben der guten Gesellschaft als hingegen die reinliche, verständige Matrone und ehrwürdige Mutter die Zierde derselben ist.

Die Hexen schwammen auf dem Wasser, ist ein bloß figürlicher Ausdruck und soll nur so viel heißen, daß eigentlich Tee und Kaffee ihr Element sei, und ich glaube im Ernst, daß unsere neueren Hexen im Kaffee nicht ersäuft werden können, denn ich habe selbst eine einmal 14 Tassen trinken sehen, da die frischsten westfälischen Viehmägde an vieren sterben…”

Georg Christoph Lichtenberg

1.7.1742 bis 24.2.1799

Tags: , ,

Eine Antwort zu “Die Diskriminierung der Hexen…”

  1. Uwe Halbach sagt:

    Loca = Gemeint sind wohl Literaturquellen
    Der Artikel ist schon 2-fach lustig.
    Zum Ersten an sich und zum Zweiten stelle man sich vor, Lichtenberg wäre ein Zeitgenosse…
    …in einem Neuen Deutschland, das sich nie mehr suchen will und so auch nie mehr finden wird…
    Wie würden da die heutigen Medien auf ihn eindreschen, wo er doch nur für Deutschland war.
    Gut, dass er schon tot ist und ein Wunder, dass man seine deutschen Schriften nihctz verbietet, weil Deutschland im Mittelpunkt seiner Überlegungen stand.
    Nach dem Lesen einiger Zitate von Georg Christoph Lichtenberg bildete sich bei mir die Meinung, dass er durchaus der deutsche “Nicolás Gómez Dávila” sein könne.
    Und man stelle sich vor, wie man ihn niedergeknüppelt hätte für seine diese Weiheit zur Bildungspolitik:

    Ein kluges Kind, dass mit einem närrischen erzogen wird, kann närrisch werden. Der Mensch ist so perfektibel und korruptibel, dass er aus Vernunft ein Narr werden kann.” Lichtenberg

    U.H.

Hinterlasse eine Antwort