Reine Gewässer sind tote Gewässer!

Der Strafrechtswissenschaftler Herr Winfried Hassemer äußerte sich zur „Flächendeckenden Vorfeldkriminalisierung im Umweltstrafrecht„.

Nun ist es wohl interessant zu wissen, was Vorfeldkriminalisierung ist und bewirkt.

Auskunft gibt Krimpedia:

Ob sich daraus eine tatsächliche Kriminalisierung des Täters ergibt, legt nicht das Opfer fest, sondern entscheiden die Instanzen der sozialen Kontrolle.

In der Kriminalpolitik spielt zunehmend die Risikoeinschätzung von Personen, Opfer einer Straftat zu werden eine Rolle.

Diese Einschätzung geht einer realen Viktimisierung zeitlich voraus:

Vor der Opferwerdung steht die Befürchtung das Opfer einer Straftat zu werden.

Die Verursacher der Gefahr werden in der Risikoeinschätzung bereits im Vorfeld festgelegt.

Kriminalitätsfurcht erhält eine kriminalisierende Bedeutung:

  • Sie kann zur Entstehung einer Privat- und Selbstjustiz führen (Neighborhood watching).
  • Sie kann die Radikalisierung der Kriminalpolitik rechtfertigen um das subjektive Sicherheitsgefühl von Teilen der Bevölkerung zu erhöhen.

Das potentielle Opfer erhält darin eine symbolische, repräsentative Funktion, dessen Erfahrung als All-Gemeingut instrumentalisiert werden kann.“

Eine Vorfeldkriminalisierung mag bei der Befürchtung des Staates, das Opfer einer Straftat zu werden, dann gerechtfertigt sein, wenn z.B. Vergiftungen der Gewässer wahrscheinlich sind.

In den Fällen aber, wenn es um die sogenannten Schadstoffe nach Anhang 1 der Abwasserverordnung geht, wie z.B. BSB, CSB, N, P oder die abfiltrierbaren Stoffe, ist die Vorfeldkriminalsierung unverhältnismäßig und kann zu einer Radikalisierung und zur Unverhältnismäßigkeit des Gewässerschutzes führen.

Ein Beispiel solcher Unverhältnismäßigkeiten sind manche Flockungsfiltrationen oder einige Verschärfungen von Überwachungswerten. Vergleiche auch KroissKosten-Nutzen Überlegungen zur Abwasserfiltration„.

Zu berücksichtigen ist, dass ein gewisses Maß der sogenannten Schadstoffe für die Artenvielfalt und Tieranzahl bzw. die Produktivität eines Gewässers unbedingt notwendig ist.

Genau das, was sich viele Menschen am oder im Gewässer wünschen und vorstellen.

Die Reduzierung der sog. Schadtsoffe in Gewässern führten und führen in und an manchen Flüssen sowie Seen zu erheblichen negativen Folgen für manche Tierarten. So wurden im Ergebnis übermäßiger Abwasserreinigungen die Populationen, z.B. von Teichmuscheln und Mauersegler dramatisch minimiert, wie der Ökologe, Herr Prof. Reichholf in seinem Buch „Die Zukunft der Arten“ (Verlag C.H. Beck, München, 2. Auflage 2006) beschrieb.

Ob derartige gravierende Eingriffe in die Natur – die zudem sehr teuer sind – der Bürger am Ende tatsächlich in einem solchen Umfang will, ist eine Frage der Abstimmung und ob ihm die allmählichen negativen Veränderungen überhaupt schon bewusst geworden sind.

Reine Gewässer sind tote Gewässer!

Von dieser – etwas in Vergessenheit geratenen Binsenweisheit – kann sich jeder in Deutschland überzeugen, wenn er seinen Trinkwasserhahn aufdreht.

2 Kommentare:

  1. Clementine, die dralle Protagonisten der in den 80-iger Jahren gelaufenen Werbespotsendung für „ARIEL-EXTRA“, hat den feinen Unterschied mit Hilfe vorgehaltener Wäsche zwischen „sauber“ und „rein“ prägnannt dargestellt. Ob man ihr in der Argumentation, den Unterschied betreffend, immer folgen konnte, muss hier unbeantwortet bleiben. Für mich als Kind klang das damals überzeugend. Heute vielleicht nicht mehr so ganz richtig.

    Meine Meinung zur „Vorkriminalisierung“ mit Blick auf den Gewässerschutz ist, vor dem Entwicklungspotential einer Eigendynamik und dem Eigenleben der Begriffe, die sich in den Köpfen und insbesondere in den Köpfen der Verwalter entwickeln können zu warnen. Schön waren solche Prozesse in einem der zuletzt hier erschienenen Artikel zum Wandel des CSV in den CSB, zum Klimawandel und „Ökoterror“ nachzuvollziehen.

    Zunächst reden wir über Begriffe und geben Dingen einen Namen. Solange die Begriffe unklar sind, sublimieren wir leider eine ganze Reihe von Dingen darunter, bei denen sich dann offensichtlich genau die Sache, die am heftigsten Bewegt wird, oft durchsetzt, die dann für den Begriff eintritt.
    Sollten wir also fragen, was sind saubere oder reine Gewässer? Ist ein Gewässer rein, wenn dort vielfältiges Leben möglich ist und wenn ja, bitte welches?: Forellen oder Abwasserpilze und coliphorme Keime? Letzteres haben wir mehrheitlich beschlossen in die Schranken zu weisen, Libellen, Steinfliegen, Daphnien und anderes hingegen sind erwünscht. „Lebenswertes Leben“ – „politisch Lied, ein garstig Lied!“ wusste unser großer Reimer zu dichten. Recht hatte er. Auch in Abwasserfragen. Darin zeigt sich echte Genialität: Das eine sagen und das andere zugleich mit meinen. Damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt. Sollten wir entweder viel Reden und nichts meinen, so wie ich hier oder wenig sagen und viel meinen? Um das herauszufinden, was gemeint sein soll schlage ich vor, die Sachverhalte zu kommunizieren. Let’s talk about.
    Und auch da halte ich es ganz mit dem Dichterfürsten. Ich sollte erst den Blick in die Natur wagen und dann ins Buch schauen, besser noch zuerst den Blick in die Natur richten und dann ein Buch schreiben. Und für die Verwaltung: Erst in die Natur schauen und dann sich eine Verordnung ansehen, dies hilft bei ausreichender Frischluftzufuhr mit unter eine gute Entscheidung zu finden.

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