Gutmenschen – Eine Bewertung von Nietzsche

“Was das eigentlichste Merkmal moderner Seelen, moderner Bücher ausmacht, das ist nicht die Lüge, sondern die eingefleischte Unschuld in der moralistischen Verlogenheit.

<> Unsere Gebildeten von heute, unsere „Guten” lügen nicht — das ist wahr; aber es gereicht ihnen nicht zur Ehre! Die eigentliche Lüge, die echte resolute „ehrliche” Lüge (über deren Wert man Plato hören möge) wäre für sie etwas bei weitem zu Strenges, zu Starkes;

<> alles, was sich heute als ‚guter Mensch” fühlt, ist vollkommen unfähig, zu irgendeiner Sache anders zu stehen als

  • unehrlich-verlogen,
  • abgründlich verlogen,
  • aber unschuldig-verlogen,
  • treuherzig-verlogen,
  • blauäugig-verlogen,
  • tugendhaft-verlogen.”

Nietzsche, F.
Zur Genealogie der Moral (1887)

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“Diese „guten Menschen” — <> wer von ihnen hielte noch eine Wahrheit »über den Menschen” aus! … Oder, greiflicher gefragt: Wer von ihnen ertrüge eine wahre Biographie! … <>

Moral: Welcher kluge Mann schriebe heute noch ein ehrliches Wort über sich? — er müsste denn schon zum Orden der heiligen Tollkühnheit gehören.

Man verspricht uns eine Selbstbiographie Richard Wagners: Wer zweifelt daran, dass es eine kluge Selbstbiographie sein wird?”

Nietzsche, F.
Zur Genealogie der Moral (1887)

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Schon der Protestantismus ist ein Volksaufstand zugunsten der Biederen, Treuherzigen, Oberflächlichen (der Norden war immer gutmütiger und flacher als der Süden);aber erst die Französische Revolution hat dem »guten Menschen” das Zepter vollends und feierlich in die Hand gegeben (dem Schaf, dem Esel, der Gans und allem, was unheilbar flach und Schreihals und reif für das Narrenhaus der „modernen Ideen” ist).

Nietzsche, F.
Die fröhliche Wissenschaft
(1882, erweiterte Ausgabe 1887)

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Zarathustra, der erste, der begriff, dass der Optimist ebenso de´cadent ist wie der Pessimist und vielleicht schädlicher, sagt:

Gute Menschen reden nie die Wahrheit.

Nietzsche, F.
Ecce Homo
(1888, publ. 1908)

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Und Dávila “antwortet”:

Der Mensch verübt nicht die schlimmsten Dinge,
solange er nicht behauptet,
sein Gewissen zwinge ihn dazu.

Nicolás Gómez Dávila („Auf verlorenem Posten“, * 18. Mai 1913 in Bogotá; † 17. Mai 1994).

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